Kreuzbandprobleme

Kreuzbandprobleme

Kreuzbandprobleme sind beim Hund weitverbreitet. Sie stellen die häufigste Ursache von Lahmheiten an der Hinterhand beim Hund dar.

 

Es gibt 2 Typen von Kreuzbandproblemen:

  1. Der durch eine akute Ueberbelastung (z.B. Kong jagen auf einer holprigen Weide, Katzenverfolgung) ausgelöste Kreuzbandriss bei einem Hund mit einem gesunden Kniegelenk (keine Arthrose vorhanden, keine Lahmheitsvorgeschichte). Hier ist das Kreuzband oft vollständig gerissen und die betroffenen Hunde zeigen eine hochgradige Lahmheit, die kaum Besserungstendenz aufweist. Das Kniegelenk ist kaum verdickt, weist jedoch ein sogenanntes Schubladenphänomen auf (ausgeprägte Instabilität).
  2. Die chronische Kreuzbandzerrung. Hier ist meistens auch eine Fehlstellung im Kniegelenk (Steilstellung des Schienbeinplateaus) und oft auch eine beginnende oder mehr oder weniger stark ausgebildete Arthrose des Kniegelenkes vorhanden. Hunde, die ein Kreuzbandproblem dieses Typs haben hinken oft schon seit längerem immer wieder, mal etwas mehr, mal etwas weniger. Zwischendurch kommen auch, wenn sie etwas weniger stark belastet oder geschont werden, Phasen ohne Lahmheit vor (insb. auch in Kombination mit schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten). Das Kniegelenk ist mehr oder weniger stark verdickt und weist einen Gelenkerguss auf (chronische Entzündung). Es besteht jedoch meist nur eine leichtgradige Instabilität (Zerrung, keine Ruptur). Wegen der Steilstellung des Schienbeinplateaus kann die Zerrung jedoch nicht abheilen, da die Gelenkrolle auf der zu steilen Fläche des Tibiaplateaus ständig nach hinten abrutscht und permanent am Kapsel- und Bandapparat zerrt (s. untenstehende Skizze). So wird das vordere Kreuzband immer mehr beschädigt, bis schliesslich eine nicht allzu grosse Belastung (Spurt, abrupte Drehbewegung o.ä.) genügt, um einen vollständigen Riss des vorderen Kreuzbandes zu verursachen. Tritt dies ein, hinken die betroffenen Hunde akut hochgradig und das Kniegelenk weist ein Schubladenphänomen auf (wie bei den unter Punkt 1. beschriebenen Fällen).

Die Behandlung von Kreuzbandproblemen:

Es existieren sehr viele verschiedene Methoden (über 100), um ein Kreuzbandproblem beim Hund zu behandeln. Das zeigt, dass das Problem ziemlich komplex ist und eine sehr lange Entwicklung nötig war. Bis sich schliesslich etwa vier oder fünf verschiedene Methoden etabliert haben und heutzutage bei sicherlich über 90% der Fälle angewendet werden:

Bandersatz (1. seitliche Kapsel- / Faszienplastik, oder 2. nach Flo oder de Angelis (mit künstlichem Bandmaterial)).

Korrektur der Fehlstellung (Schrägstellung) des Schienbeinplateaus (in englisch: Tibia Plateau Levelling Osteotomy TPLO), nach Slocum (kreisförmige Osteotomie), oder mittels Keilosteotmie.

TTA (Tibial Tuberosity Advancement, Entwicklung am Tierspital Zürich).

In unserer chirurgischen Überweisungspraxis haben wir uns mittlerweile für die Korrektur der Fehlstellung mittels Keilosteotomie entschieden, die wir vor 8 bis 10 Jahren gleichzeitig und unabhängig voneinander mit einer grossen amerikanischen Klinik, die der University of Philadelphia nahesteht, entwickelt haben.

Gemäss unseren Erfahrungen (bisher ca. 400 operierte Fälle) hat diese Operationstechnik gegenüber dem Bandersatz und der TTA den Vorteil, dass die Fehlstellung (quasi das Grundübel des Problems) behoben wird. Gegenüber der (älteren) Slocum – Technik hat sie den Vorteil, dass das Gelenk überhaupt nicht tangiert wird. Bei der Slocum – Technik führt der Sägeschnitt direkt ins Gelenk und hinterlässt eine recht grosse Fläche mit blossem, nicht mit Knorpel bedecktem spongiösem Knochen, was die Arthrosebildung fördern kann.

 

Fallbeispiele:

Bordeaux Dogge, 62 kg, mit deutlicher Schrägstellung des Tibia – Plateaus (optimal wäre ca. 75°). Chronisch intermittierende Lahmheit seit etwa vier Monaten. Beschwerden seit sechs Wochen zunehmend (der Hund hinkt häufiger). Knie im medialen Tibia – Plateau – Bereich deutlich verdickt, mit leichtgradigem Gelenkerguss, Schubladentest schmerzhaft, Gelenk jedoch stabil. Noch kaum Arthroseanzeichen.

Bordeaux Dogge (s. oben) unmittelbar postop. (l/l – Bild).

Bordeaux Dogge (s. oben) unmittelbar postop. (a/p – Bild).

Border – Collie Mischling 28 kg, chronisch – intermittierende Lahmheit seit anderthalb Jahren. Kniegelenk deutlich verdickt, Gelenkerguss, ausgeprägte Schublade. Schon deutliche Arthrose. Röntgenkontrolle unmittelbar postoperativ (Winkel präoperativ: 56°).

Border Collie – Mischling (s. oben), a/p – Kontrollbild unmittelbar postoperativ.

Appenzeller – Mischling, 21 kg. Ein Jahr nach der Operation. Der Hund ist lahmheitsfrei. Die Osteotomie ist vollständig abgeheilt. Die Arthrose hat nicht zugenommen (konnte durch die Operation vollständig gestoppt werden).

 

Fazit

Eine Kreuzbandzerrung bei gleichzeitig vorhandener Schrägstellung des Tibiaplateaus (Winkel kleiner als 70°) kann erfahrungsgemäss mit konservativen Behandlungsmethoden (Schonung, Medikamente, Physiotherapie, etc.) nicht zur Abheilung gebracht werden. Da der Kapsel- / Bandapparat wegen der Fehlstellung permanent unter Stress steht, kommt es zu fortwährender sukzessiver Arthrosebildung und Kreuzbandschädigung (bis hin zum Totalriss).

Die Keilosteotomie stellt eine tausendfach bewährte Routinetechnik zur Behandlung von Kreuzbandproblemen dar. Die Fehlstellung wird behoben, es werden mechanisch optimale Verhältnisse geschaffen (massive Reduktion der Belastung des vorderen Kreuzbandes), durch die Rotation des Schienbeinplateaus wird das Gelenk zudem stabilisiert.

Da das Gelenk bei der Keilosteotomie in keiner Weise tangiert wird, wird die Arthrosebildung annähernd vollständig gestoppt. Trotzdem haben wir mittlerweile diese Technik durch TPLO mit Rotations-Sägeschnitt ersetzt, obwohl zwar das Gelenk tangiert, aber die gelenknahe Mechanik besser erhalten bleibt.

 

Bilder TPLO: